Tobias sitzt am Boden und hat den Kopf in seine Hände gelegt
Bildrechte: BR / Markus Kaiser / Sebastian Seibert

Tobias hat eine Depression

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Jung und depressiv: Wenn die Lebenslust verschwindet

Psychische Erkrankungen wirken sich auf alle Lebensbereiche aus, auf Beruf, Familie und Freunde. Vieles wird zur Qual. Betroffene müssen viel Energie investieren, um wieder Moment des Glücks zu erleben. Aber: Es kann gelingen.

Über dieses Thema berichtet: STATIONEN am .

Vor fünf Jahren ist Tobias' Leben aus dem Gleichgewicht geraten. Er wird depressiv und verliert seine Lebensfreude. "Ich würd einfach gerne wieder mein Lachen finden. Und dass ich wieder für etwas brennen kann. Dieses Gefühl vermisse ich." Seit 2019 ist er in Therapie, war in vier stationären Behandlungen. Seiner Arbeit als Kinderpfleger kann der 24-Jährige gerade nicht nachgehen. In der Danuvius Klinik im oberbayerischen Pfaffenhofen an der Ilm nimmt er einen neuen Anlauf.

Auch soziale Kontakte gehen oft verloren

Für dreieineinhalb Monate ist er in der Klinik. Dort nimmt er an vielen Therapieformen teil: etwa Kunst- oder Musiktherapie, Einzelgespräche mit den Therapeuten und Gruppensitzungen. Das Ziel: Wieder etwas Lust an den Dingen zu haben. "Es ist momentan so, dass ich mich sehr schwer tue, positive Gefühle oder Emotionen empfinden zu können. Und ich habe durch die Depression die Nähe zu meinen sozialen Kontakten, Freundeskreisen, Familienangehörigen und zu meinen Kolleginnen auf der Arbeit weitestgehend verloren. Und das bereitet mir im Alltag Beschwerden."

"Letztendlich kennen wir die Ursachen für die Erkrankung Depression nicht", sagt Professor Thomas Messer, Chefarzt der Danuvius Klinik in Pfaffenhofen. "Es gibt eine Reihe an Falschannahmen, zum Beispiel, dass die Störung ausschließlich durch Probleme im Leben oder Konflikte verursacht wird. Das spielt sicher eine Rolle. Aber wir müssen davon ausgehen, dass es auch biologische Faktoren gibt."

Stress, Schicksalsschläge oder genetische Veranlagung können zu Depressionen führen

Nicht nur Stress, Schicksalsschläge oder Erlebnisse in der Kindheit können zu Depressionen führen, sondern auch genetische Veranlagungen oder chronische Krankheiten. Es ist eine Verkettung vieler Ursachen, die bei Tobias dazu geführt haben, dass ihm nichts wirklich Freude macht. Nicht einmal das Schlagzeug spielen am Wochenende zuhause. "Ich sehe es eher als nützlich, um hinterher am Ende des Tages Dampf abzulassen. Aber die Freude und der Spaß hält sich da in Grenzen."

Thomas Messer spricht in einem solchen Fall von Anhedonie, die schon im Vorfeld einer Depression auftreten kann. Tätigkeiten und Momente, die sonst Spaß machen, helfen Menschen mit Depressionen nicht unbedingt gegen diesen tiefen Verlust von Freude. "Dann kann ich zum Beispiel nicht raten: 'Fahren Sie sie zwei oder drei Wochen in die Karibik.' Er würde das nicht genießen können." Sogar das Gegenteil könne der Fall sein, so Messer: "Möglicherweise würden Selbstvorwürfe und das Gefühl, 'ich bin hier völlig fehl am Platz' verstärkt werden."

Therapieansatz: sich Konflikten stellen

Aber was kann Tobias helfen, wieder mehr zu empfinden? Mit Therapien und Medikamenten lassen sich die Anhedonie und letztendlich die Depression behandeln. In der psychodynamischen Therapiestunde geht es zum Beispiel darum, dass Patienten wie Tobias ihre inneren Konflikte erkennen. "Es geht darum, sich den Konflikt bewusst zu machen und das Bedürfnis zu entwickeln, diesen Konflikt zu klären", sagt Thomas Messer. Das geht über die Auseinandersetzung mit anderen in der Gruppe. Nicht leicht für Tobias. "Wenn ich betroffen bin, also mit in einen Konflikt hineingezogen werde, dann macht mir das zu schaffen."

Denn Tobias ist bisher seinen Problemen und Gefühlen möglichst aus dem Weg gegangen, hat sich sozial zurückgezogen. In der einer der Therapiestunden haben das die anderen Gruppenmitglieder kritisiert, was bei Tobias zu einem emotionalen Zusammenbruch geführt hat. "Ich hatte in diesem Moment keine Gegenargumente mehr und konnte mich für mein Verhalten nicht mehr rechtfertigen. Und das war der springende Punkt, warum ich den Zusammenbruch erlitten habe."

Für Tobias hat sich in diesem Moment etwas verändert. "Ich will nicht sagen, dass ich angekommen bin, nach den sechs Wochen Klinik, aber es ist etwas passiert, das ich seit fünf Jahren nicht mehr hatte." Vielleicht ist er einen Schritt weiter gekommen, auf dem Weg, sein Lachen wiederzufinden.

Dieser Artikel ist erstmals am 28. April 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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Mehr zum Thema "Lust und Leidenschaft - was treibt uns an?" in der Sendung STATIONEN in der ARD Mediathek.